ich zitiere aus der neuen züricher zeitung vom 12.12.07:
Frisch wie im Frühling
Das Reunion-Konzert von Led Zeppelin in London
Seit neunzehn Jahren sind die überlebenden Mitglieder von Led Zeppelin nie mehr zusammen auf der Bühne gestanden. Ihr Reunion-Konzert in London übertraf die Erwartungen bei weitem.
(Hanspeter Künzler)
Vor dem Ticket-Schalter begegnete man den Musikern der amerikanischen Post-Punk-Combo Biohazard. Auch Paul McCartney, Steve Winwood und Genesis waren da, ferner Mitglieder von Oasis und den Arctic Monkeys. Bald aber vergass man das Stelldichein der Stars. Die Zuschauer unter dreissig – bestimmt die Hälfte – sahen sowieso eher aus wie Mitglieder von super-coolen Bands der Gegenwart. Fürs erste Led-Zeppelin-Konzert seit neunzehn Jahren vergassen die trendbewussten jungen Londoner für einmal aber ihre chronischen Berührungsängste gegenüber Oldies. Umgerechnet dreihundert Franken kostete ein Ticket; laut Robert Plant sollen sich dennoch 88 Millionen Fans um ein Billett bemüht haben – aber nur 18 000 passten in die «O2»-Arena im Millennium Dome.
Tribut für Ertegun
Obwohl die Hype-Maschine seit Monaten auf vollen Touren lief, hegte kaum jemand Hoffnungen auf ein musikalisches Highlight. Seit dem Tod des Schlagzeugers John «Bonzo» Bonham am 25. September 1980 sind die überlebenden Zeppelin-Musiker nur noch zweimal live aufgetreten. Das erste Mal leisteten sie sich mit Phil Collins am Schlagzeug einen peniblen Auftritt im Rahmen von «Live Aid». Das zweite Mal kamen sie 1988 für ein kurzes Set anlässlich der Party zum 40. Geburtstag ihrer Plattenfirma Atlantic Records zusammen. Seither hatten sie sich ihren Fans verweigert und sich neuen Aufgaben zugewandt.
Die jetzige Reunion hatte wiederum mit der alten Plattenfirma zu tun: Es handelte sich um ein Tribut-Konzert für den letztes Jahr verstorbenen Ahmet Ertegun, den Gründer von Atlantic Records und Förderer von Led Zeppelin (die Einnahmen aus dem Konzert sollen nun einem guten Zweck, einer neuen Ahmet-Ertegun-Stiftung, zukommen). Das eher bemühende Vorprogramm mit Keith Emerson und verschiedenen ehemaligen Mitgliedern von Yes und Bad Company zeigte, warum man solchen Nostalgie-Feten zu Recht skeptisch gegenübersteht; einzig Bill Wyman sorgte mit seinen Rhythm Kings wenigstens für unprätentiöses Entertainment. Schwamm drüber. Schwamm auch über das zögerliche und von Feedback geplagte «Good Times Bad Times», mit dem Led Zeppelin sodann ihr zweistündiges Set starteten.
Gegen das nun Folgende hingegen hatten auch grösste Zyniker nichts mehr auszurichten. Der Sänger Robert Plant zeigte sich bald in bester Laune, sein einstiges Platzhirsch-Röhren ist einem glaubwürdigen, bluesigen Schreien und Singen gewichen. Nick Hornby beklagt sich in seinem Buch «31 Songs» über Längen eines Led-Zeppelin-Konzerts von 1975 – also während der grossen Zeit der Band. Bei der Reunion nun sausten die Minuten nur so dahin. Dank dem Schlagzeuger Jason Bonham (Bonzos Sohn) rhythmisch grossartig unterfüttert, hätte die Musik nicht «tighter» sein können. «Trampled Under Foot» war funkig wie einst Ike & Tina Turner. «Black Dog», «For Your Life», «Nobody’s Fault But Mine», auch «Dazed And Confused» (samt legendärer Improvisation, in der Jimmy Page mit dem Bogen über die Gitarre streicht) und sogar «Stairway to Heaven» sprühten vor einer Vitalität, die selbst dem ernsten John Paul Jones – er wechselte zwischen Bass und Keyboard – gelegentlich ein Grinsen entlockte.
Keine Nostalgie-Show
Keinen Moment lang kam das Gefühl auf, man wohne einer Nostalgie-Show bei. Vielmehr durfte man an diesem Abend erkennen, warum Led Zeppelin zu den ganz Grossen gezählt wird. Damals wie heute noch immer gehört die Gruppe eben nicht nur zu den Lautesten, sondern auch zu den Subtilsten. Wie wenige andere Rocker verstehen sie ihren Sound dynamisch zu gestalten (die Pixies und Nirvana lassen danken). Zudem ist ihr musikalischer Geist ungemein offen. Während Hunderte von Nachfolge-Bands ihren ganzen Sound von einem einzigen Zeppelin-Song abgeleitet haben, setzte Led Zeppelin selber selten zweimal auf denselben musikalischen Trick. So ist zu erklären, warum der Einfluss über die Dekaden hinweg Beatlessche Ausmasse angenommen hat. Oben auf der Bühne standen drei Bandmitglieder im Alter von sechzig Jahren – je reifer die Stimme, desto überzeugender offenbar der Blues.
Bei diesem Konzert meiner Lieblings-Band wär ich auch gern dabei gewesen – hoffentlich gibt´s wenigstens bald eine schöne DVD davon!